In meinem Berufsalltag als Prozessberater sind Prozessdiagramme von zentraler Bedeutung. Sei es beim Erstellen, Überarbeiten, Optimieren oder auch nur beim Verstehen – all das kann sehr zeitaufwendig sein. Oft wünschte ich mir bei der Arbeit mit Diagrammen eine praktische Unterstützung: Ein Tool, dem ich eine Beschreibung gebe und das mir daraufhin ein passendes Diagramm generiert. Mit der stetigen Entwicklung von neuen KI-Tools ist das nun möglich, wenn auch noch mit gewissen Einschränkungen.
Dieser Artikel zeigt dir, wie du das KI-Tool ChatGPT für die Bearbeitung von Prozessdiagrammen nutzen kannst und gibt dir praktische Tipps, um dabei die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Das Wichtigste zuerst: ja, Chat GPT ist in der Lage, Diagramme in Bildern oder Dokumenten zu erkennen, zu analysieren und zu beschreiben. Dafür musst du nur eine Datei mit dem entsprechenden Diagramm deinem Befehl anhängen und in deinem Befehl beschreiben, wie ChatGPT das Diagramm verarbeiten soll.
Aber Achtung: Aktuell ist das Anhängen von Dateien (also deine bisherigen Diagramme und Dokumentationen) nur in der Bezahlversion von ChatGPT möglich. Die heißt ChatGPT Plus und kostet ca. 20 Dollar pro Monat. Dafür erhältst du Zugriff auf das KI-Modell GPT-4 (die kostenlose Version benutzt GPT-3.5), Bilderkennung und auf die Plugins, die wir später benötigen, um Diagramme zu bearbeiten.
Grundsätzlich ist ChatGPT bereits jetzt sehr gut darin, die Informationen aus dem Prozessdiagramm zu entnehmen und Zusammenhänge zu analysieren. Es kann dir beispielsweise Fragen zum Prozessablauf und Optimierungspotenzial beantworten oder dich auf Fehler hinweisen.
Besonders spannend und zeitsparend finde ich die Erstellung von zusätzlichen Dokumenten auf Basis des Prozessmodells. So kann ChatGPT beispielsweise SOPs (Standard Operating Procedures), also textbasierte Erklärungen des Prozesses, erstellen. Wenn man ihm im Befehl entsprechende Vorlagen mitgibt, passt er das SOP sogar an die eigenen Unternehmensstandards an.
Hier sind einige der spannenden Beispielbefehle für die Diagrammerkennung mit ChatGPT:
Um mit ChatGPT eigene Diagramme zu erstellen, musst du aktuell auf Plugins zurückgreifen. Mit Plugins kannst du ChatGPT um verschiedene Funktionen erweitern. Folgende Plugins helfen dir dabei, Prozess- oder Ablaufdiagramme zu generieren:
Die Diagramme werden also nicht von ChatGPT selbst, sondern von Drittanbieter-Tools generiert. Der Chatbot kann aber direkt mit diesen Tools interagieren. Nicht mit jedem Plugin wird das Ergebnis direkt im Chat dargestellt, bei einigen wird dir das Diagramm in einem neuen Tab oder in der Tooloberfläche angezeigt.
Plugins kannst du im offiziellen Plugin Store installieren. Dieser ist direkt in ChatGPT Benutzeroberfläche eingebunden. Für die Verwendung von Plugins benötigst du allerdings wieder die Bezahlversion von ChatGPT.
Dieses Vorgehen kannst du verwenden, um neue Diagramme mit ChatGPT zu erstellen.
Wähle in der ChatGPT-Oberfläche ein Plugin zur Diagrammerstellung aus. In diesem Beispiel verwende ich „Diagramms: Show Me“
Gib eine textliche Beschreibung deines Diagramms. Alternativ kannst du auch die Bilderkennung verwenden, um eine per Hand gezeichnete Skizze umwandeln zu lassen.
Je nach Plugin zeigt ChatGPT das Diagramm direkt im Chatfenster an oder du musst auf eine externe Seite wechseln.
Auch wenn das erste Ergebnis nicht sofort passt, solltest du das Ergebnis nicht direkt verwerfen. Unterhalte dich mit der KI über das gewünschte Ergebnis. Ähnlich wie bei der Bildgenerierung solltest du aktuell nicht sofort ein perfektes Ergebnis erwarten. ChatGPT kann gezielt einzelne Stellen des Diagramms überarbeiten.
Wenn du deine Diagramme möglichst genau darstellen willst, empfehle ich dir außerdem, mit dem sogenannten Mermaid Syntax zu arbeiten.
Mithilfe der Mermaid Syntax kannst du verhindern, dass ChatGPT Fehler beim Verständnis von Prozessbeschreibungen hat. Die Syntax stammt aus der JavaScript-Library Mermaid.js. Mithilfe dieser Bibliothek kann man einfache Diagramme auf Basis einer klar definierten Textsyntax generieren. Wenn du also sicher gehen willst, dass ChatGPT deinen Prozess zu 100% richtig generiert, wandle ihn vorher schon einmal in den Mermaid-Code um und überprüfe das Ergebnis. Dabei kann dir ChatGPT natürlich auch wieder helfen. Bitte das Tool einfach als Zwischenschritt darum, aus deinem Text erst einmal nur den passenden Mermaid.js-Code zu generieren.
Genau das macht ChatGPT sowieso auch jedes Mal automatisch im Hintergrund, wenn es einen Text in ein Diagramm verwandeln soll (zumindest wenn du eines der oben aufgelisteten Plugins verwendest).
Im Code kannst du erkennen, dass jeder Knoten in deinem Diagramm einen Buchstaben als Identifier und eine Bezeichnung erhält. Die Art der Klammer gibt an, ob es sich bei dem Code um eine Aufgabe, Ereignis oder um eine Entscheidung (Gateway) handelt.
Mehr über die Mermaid Syntax und Mermaid.js findest du in der offiziellen Dokumentation.
Was den Umgang mit Diagrammen anbelangt, ist ChatGPT an einigen Stellen noch ziemlich begrenzt. Die meisten Plugins können nur einfache Ablaufdiagramme (Flowcharts) oder Sequenzdiagramme generieren. Das heißt, du kannst aktuell auch keine BPMN-Diagramme erstellen. BPMN steht für „Business Process Model and Notation“ und ist heutzutage quasi der Standard für die fortgeschrittene Prozessmodellierung. Dafür fehlen den ChatGPT-Plugins noch viele der BPMN-Elemente. Lesen kann ChatGPT die Diagramme allerdings schon.
Außerdem steigt die Chance, dass Fehler passieren, mit der Größe und Komplexität der Diagramme stark an. Du solltest dich nicht blind auf den Output der KI verlassen und das Ergebnis immer überprüfen.
Bei meinen Tests gab es auch einen Fall, in dem das bereitgestellte Dokument, in dem ich ein Prozessdiagramm aufgezeichnet habe, von ChatGPT nicht ordentlich gelesen werden konnte. Vermutlich lag es daran, dass die Datei oder das Dokument zu groß waren. Hierbei handelte es sich aber auch um einen Extremfall – das Diagramm hatte fast 80 Aufgaben, 20 Entscheidungen und ging über mehrere Seiten.
ChatGPT erweist sich als nützliches Tool für die Prozessbearbeitung, insbesondere beim Erstellen, Analysieren und Optimieren von Prozessdiagrammen. Allerdings musst du aktuell deine Erwartungen noch etwas herunterschrauben. Einschränkungen wie die Abhängigkeit von der Bezahlversion und Limitationen bei komplexen Diagrammen verhindern aktuell, dass das Tool in der wirtschaftlichen Praxis wirklich effektiv verwendet werden kann.
Ich finde, es ist aktuell eher ein interessanter Einblick in das, was vielleicht schon bald mit KI-Tools im Bereich des Prozessmanagements möglich sein wird. Abonniere gerne meinen Newsletter, falls du zukünftig über Neuigkeiten zu KI und Prozessmanagement informiert werden möchtest.